SP fordert Erneuerung am Kantonsgericht

von Philipp Wilhelm, Votum im Grossen Rat vom 17.06.2020

Die Glaubwürdigkeit einer der wichtigsten Institutionen in unserem Kanton, dem Kantonsgericht, hat arg Schaden genommen. Das schadet dem Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Und es schadet dem Ansehen der Bündner Institutionen.Die SP-Fraktion hat sich darum intensiv und äusserst kritisch mit der Situation befasst. Wir haben zusätzliche Dokumente verlangt und alle wiederantretenden Richterpersonen zu Hearings eingeladen. 

Zusammenfassend gesagt sind wir über den Gesamtzustand am Gericht schockiert. Unabhängig vom konkreten Fall in der Erbsache P.S. kommen wir daher zum Schluss:

Wir werden keine der bisherigen Richterperson wieder wählen. Das Kantonsgericht braucht einen Neuanfang.

Warum? Erstens: Der Grosse Rat ist selber kein Gericht. Wir können nicht darüber urteilen, wer im konkreten Fall Recht hat und wer nicht. Das wird zurecht das Bundesgericht entscheiden. Aber der Grosse Rat ist die Wahlbehörde. Und als Wahlbehörde müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir mit einem Zustand am Kantonsgericht konfrontiert sind, der vom Kollektiv der dort richtenden Magistratspersonen zu verantworten ist.

Wir sind konfrontiert mit einem Gericht, das interne Konflikte schwelen und schwelen liess, bis sie explodierten. Mit Richterpersonen, die in Streitigkeiten unter Bürger*innen entscheiden sollen, selbst aber den Eindruck geben, nicht in der Lage zu sein, interne Streitigkeiten auf ordentlichen Wegen zu schlichten. Wir sind mit Magistratspersonen konfrontiert, die gegenseitig schwerwiegende Vorwürfe in den Raum stellen, Verfahren gegeneinander einleiten oder zum schärfsten aller Disziplinarmittel gegen einen Richterkollegen greifen, dem Gesuch auf Amtsenthebung. Wir haben eine Aufsichtskommission, die sich veranlasst sah, im Rahmen ihrer Untersuchungen Verweise und Weisungen auszusprechen und eine richterliche Immunität aufzuheben. Und und und.

Und wenn sich dann am 10. Juni 2020 das Gesamtgericht im Beisein des Gerichtspräsidenten noch in einer öffentlichen Medienkonferenz von der Aufhebung der Immunität des Gerichtspräsidenten durch die zuständige Kommission „überrascht“ zeigt, dann wurde der Ernst der Lage definitiv immer noch nicht richtig erkannt.

Es muss doch jetzt wieder Vertrauen aufgebaut werden. Und das geht eben mit Aufklärung, mit Aufarbeitung und mit dem Ziehen der nötigen Konsequenzen daraus. 

Vertrauen oder auch Glaubwürdigkeit in dieser heiklen Phase würde auch ein sofortiger Rücktritt des Gerichtspräsidenten schaffen, der stattdessen ebenfalls mit Mitteln wie einem Ausstandsgesuch gegen die von Gesetzes wegen zuständige Kommission die Aufarbeitung behindert.

Ich komme zum Schluss:

Die zuständige Aufsichtskommission (KJS) hat ihre Arbeit getan. Und Sie fand in verschiedene Richtungen zweifelhaftes Verhalten oder zumindest ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor. Nun wird sie aus allen Richtungen – Brunner – Schnyder – Gesamtgericht – kritisiert.

Wem eine Botschaft nicht gefällt, schiesst in der Regel auf die Botschafterin. Das nur ein weiteres Indiz dafür, dass mit den jetzt beteiligten Personen keine glaubwürdige Lösung gefunden wird.

Wir sind darum überzeugt, dass das Kantonsgericht einen Neuanfang braucht und nur so das Vertrauen in diese wichtige Institution wieder hergestellt werden kann. Zu diesem Neuanfang wollen wir unseren Beitrag leisten und wir rufen die anderen Fraktionen dazu auf, dies auch zu tun.

Das heisst:

  1. Wir werden keine der bisherigen Richterpersonen wieder wählen.
  2. Weil wir Anspruch auf einen Sitz haben, werden wir im Falle einer glaubwürdigen Erneuerung eine Anwaltsperson mit fachlicher und persönlicher Eignung portieren.
  3. Wir fordern die anderen Parteien mit Sitzanspruch auf, eine Erneuerung zu unterstützen und ebenfalls neue Kandidaturen aufstellen. Andernfalls werden auch wir keine Kandidatur portieren.

Uns ist bewusst, dass eine Erneuerung Zeit und Koordination unter den Parteien braucht. Es ist nicht der Weg des geringsten Widerstands oder Aufwands. Aber es ist der einzig richtig gangbare Weg, um das Vertrauen in unsere Institutionen wiederherzustellen.

MACH MIT!

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